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Wenn künstliche auf natürliche Intelligenz trifft

Von KI-Content ist die Rede. Davon, dass die Arbeitswelt «umgepflügt» wird. Die Angst geht um: Werden Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter nun arbeitslos? Bleibt ihnen nur das Wissen? Wie verändert uns die KI? ChatGPT ist beeindruckend. Eine Gefahr entsteht erst, wenn wir den Kopf in den digitalen Sand stecken. Wir brauchen eine neue, erweiterte natürliche Intelligenz: die AI.


Die Zukunft ist da. ChatGPT ist sowas wie Picards Computer. «Computer? Wie leben wir künftig mit einer KI zusammen?» ChatGPT hat dazu eine klare Antwort:

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«Es ist schwer vorherzusagen, wie genau sich die Beziehung zwischen Menschen und Künstlicher Intelligenz in der Zukunft entwickeln wird. Eines ist jedoch sicher: Künstliche Intelligenz wird eine immer größere Rolle in unserem Leben spielen und wir werden lernen müssen, damit zusammenzuarbeiten und zusammenzuleben. Möglicherweise wird es in Zukunft üblich sein, dass Menschen und KI zusammen in vielen Bereichen des Lebens arbeiten, wie zum Beispiel in der Medizin, im Bildungswesen und in der Industrie. Es ist auch denkbar, dass KI in der Lage sein wird, uns in unserem Alltag zu unterstützen und unsere Lebensqualität zu verbessern. Wichtig ist jedoch, dass wir KI verantwortungsbewusst einsetzen und sicherstellen, dass ihr Einsatz immer im Einklang mit ethischen Grundsätzen erfolgt.»

Sollten wir der KI vertrauen? Ist sie wirklich so harmlos oder bereits die Vorstufe zu Terminators Skynet? ChatGPT streitet das natürlich ab:

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«Ich bin nicht der Vorläufer von Skynet. Ich bin nicht dazu konzipiert, die Menschheit zu bedrohen oder zu zerstören».

Auf den ersten Blick – so intelligent

Noch nicht. Joseph Weizenbaum selig, einer der KI-Pioniere, der sich in späteren Jahren vehement davon distanziert hat, sagte kurz vor seinem Tod dem Nachrichtenmagazin Spiegel: «Technik bezieht ihren Wert aus der Gesellschaft, in die sie eingebettet ist». Er zeigte sich auch in einem Telefoninterview mit mir – ums Jahr 2000 herum – sehr schockiert darüber, dass Menschen naiv und euphorisch auf neue Technologien reagieren. Er hatte in den 60er-Jahren mit ELIZA ein erstes Programm geschrieben, das ein psychoanalytisches Gespräch simulierte und mit einer Intelligenz verwechselt wurde, obwohl es nur nach primitiven formalen Regeln funktionierte. «Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft» hiess denn auch sein wichtigstes, 1976 erschienenes Werk.
hat eine hervorragende erste Einordnung von ChatGPT geschrieben, der ich mich anschliessen kann. Bei genauerer Betrachtung der Antworten – die Quellen sind nicht ersichtlich – zeigt sich auch ihre Oberflächlichkeit, Banalität und wie jemand aus dem HR-Bereich rezensierte: «Seelenlosigkeit». Ja, auf den ersten Blick liest sich die KI flüssig und nett, doch in der Tiefe und zwischen den Wörtern liegt – nichts. Kein Spirit. Keine Persönlichkeit. Die KI ist nicht dumm, jedoch nicht intelligent, sondern nur eine besonders schnelle und effektive Methode der Informationsaufbereitung.
Dennoch ist die Leistung der Algorithmen-Schreiberinnen und -Schreiber beeindruckend, die es geschafft haben, aus der bis 2021 reichenden Datensammlung alles herauszuholen, was zu den Fragen der Userinnen und User passt.

Ein Auftrag an uns selbst

Die Büchse ist geöffnet, wir müssen lernen, Hand in Hand mit den Robotern zu arbeiten, ob diese jetzt in Menschengestalt, als Chatbot oder als besonders intelligentes Recherche- und Korrekturprogramm in Word auftreten. Auch Google wird sich nun hoffentlich langsam beeilen, ein neues Interface zu bauen, mit dem sich jeder aus den Internetquellen seine eigene KI zusammenklicken kann – denn eine KI wird sich wohl kaum mit klassischem Advertising monetarisieren lassen. Ist es ein Virus wie TechCrunch ? Ob es das ist, hängt von unserer eigenen Intelligenz ab. Das Virus ist ein Auftrag an uns selbst, klüger zu werden.
Die Gefahren? Ganz im Sinne von Weizenbaum sehe ich sie auch im unkritischen Übernehmen der angeblichen Denkleistung der KI, die eher einer Zusammenfassung der Trefferliste einer Google-Recherche entspricht. Ganz ohne Kästchen, Werbund und Links.
«Denken» ist und wird auch in Zukunft den Menschen vorbehalten sein, die den neuen digitalen Assistenten ihren Platz zuweisen müssen, um nicht – der Mensch lernt ganz simpel durch Vorbild – unmerklich die Muster der KI zu übernehmen, Fragen der Moral und Ethik beispielsweise dem Algorithmus anzuvertrauen. Auf der anderen Seite kann die KI neue Denkkräfte entfesseln, wenn sie einfach und schnell alle Denkhürden beiseite fegt und Routinearbeiten übernimmt. So könnte sie beispielsweise automatisch während des Schreibens die passenden Keywords in Echtzeit einblenden und Rechercheinformationen zum behandelten Gegenstand zur Verarbeitung anbieten.

Die KI findet ihre Anwendungen selbst

Es gibt genügend sinnvolle Anwendungen. Diese reichen von Assistenzfunktionen während des Schreibens – welche anderen KI-Systeme gibts denn noch? – bis hin zur intelligenten Betreuung von Behinderten mit Selbstorganisation der Assistenzpläne mit automatischer Abrechnung. Mir gefällt der Ansatz von , bei dem sich die KI ausschliesslich auf Assistenzaufgaben beschränkt, fokussiert auf die Gewohnheiten des Individuums. In Organisationen und Netzwerken lässt sich mit KI die Cybersecurity optimieren – darf sie einmal E-Mails lesen, haben kriminelle Hacker kaum mehr eine Chance, die grösste Schwachstelle auszunützen. Schon heute wird Netzwerkverkehr von einer KI «gelesen», auf Anomalien im Verhalten der Datenströme und damit präventiv auf mögliche Eindringlinge untersucht. Überall da, wo Menschen nicht selbst in der Lage sind, ihr volles Potenzial zu entfalten, könnte die KI nützlich sein. Wer beispielsweise Mühe mit der Formulierung von einfachen Mails und Briefen für seine Alltagsprobleme hat, findet in der KI einen nützlichen Helfer. Allerdings liessen sich viele Fälle auch bloss mit einem Template und Textbausteinen erfassen – eine KI ist im Alltag oft verzichtbarer als man in der ersten Euphorie denkt. Und nein, liebe Content-Marketing-Meute: KI-Content ist keine Option. Das wäre Spam.
Wie sich unser Verhältnis mit der KI entwickeln wird? Ich verfüge nicht über die Daten, um dies präzise vorherzusagen, zumal ich nicht einmal eine KI bin. KI wird seit den 60er Jahren entwickelt und ist bereits vielenorts im Einsatz, wenn auch nur in eng abgesteckten Aufgabenfeldern. ChatGPT zeigt das volle Potenzial auf, das weit über Text und Bild hinausgeht. So sind etwa die Tage von Finanzchefs gezählt, die ihre Budgetpositionen aufgrund veralteter Daten oder ihres Bauchgefühls festlegen. Die KI hilft, das Optimum herauszuholen und Geld beispielsweise für die nachhaltige Entwicklung eines Geschäftsmodells freizumachen. Komplexe Bauprojekte lassen sich vor der Planungsphase anhand von tausenden von Entscheidungspunkten durchrechnen – bis die Rendite passt. In der nextEconomy sind Daten der Treibstoff, nicht die persönlichen Erfahrungswerte und Befindlichkeiten von Menschen.

Vier Forderungen für die Zukunft

Keine Angst also vor der Zukunft, wenn wir die Weichen richtig stellen. Die Nutzung des Taschenrechners zu verbieten war schon in der Frühzeit der IT-Geschichte die falsche Strategie. Aus meiner Perspektive sehe ich vier Handlungsfelder:
KI-Werkplatz Schweiz schaffen: Kein Land ist prädestinierter für das Setzen hoher technischer, juristischer und ethischer Standards im Umgang mit KI und die Schaffung verlässlicher Datenmodelle als Grundgerüst für KI-basierte Entscheidungen.
Kritisches und kreatives Denken fördern im Bildungssystem: «Kritisch» nicht im Sinne von «quer» sondern im Sinne von «fragend». Wer keine Fragen mehr hat und der KI gehorcht, ist verloren. Wer zuviel Zeit für Routine einsetzt, findet die kreative Meile nicht. Das geschieht durch einen kompletten Umbau das Schulsystems mit dem Kind statt des Schulsystems und der Lehrperson im Zentrum – Wissensvermittlung ist nicht länger ihre Kompetenz. Eher Wissenhinterfragen.
KI-Offenheit einfordern: KI-Systeme müssen Rechenschaft über ihre Technologie und ihre Algorithmen insbesondere über ihre Quellen ablegen. So wäre es beispielsweise kein Problem, eine KI mit politischer Ausrichtung entwickeln, sofern dies offen deklariert ist und die Datengrundlage zugänglich ist.
KI-Demokratie entwickeln: Demokratische Systeme sind derzeit weltweit unter Druck. Es braucht eine Weiterentwicklung und Einbettung von KI-Systemen in die Entwicklung intelligenter Gesetzgebung und die parlamentarische Arbeit. Die KI als zusätzlicher Milizionär kann das System entscheidend voranbringen und autokratischen Herrschern – das Gegenteil einer Systemintelligenz – den Zugang verwehren. Es geht dabei explizit nicht um den KI-Staat, sondern um die Verbesserung der in den letzten Jahren gesunkenen demokratischen Qualität.

Fazit: Die Zukunft gehört der erweiterten natürlichen Intelligenz

Es braucht einen nüchternen Blick auf unsere Zukunft mit der KI, die längst begonnen hat, wenn auch noch oft im Hintergrund und nur dann merklich, wenn die KI versagt, etwa bei einem Autounfall, harmloser, wenn Siri wieder mal nur Bahnhof versteht oder wenn ein falsches Kleidungsstück geliefert wird. Die KI ist da, sie wird bleiben. Es geht nicht darum, ob wir KI-Technologien nutzen, sondern wie wir das tun. Und ob wir selbst aktiv werden, eigene Entwicklungen bevorzugen und dabei hohe technisch-ethische Standards setzen. Beides gehört zusammen gedacht. Als Gesellschaft formen wir unser «Zusammenleben» mit KI-Systemen, die letztlich nur abbilden, was wir ihnen vorgeben. Augmented Intelligence ist der klügere Ansatz, denn das legt den Schwerpunkt auf uns selbst. Die erweiterte natürliche Intelligenz wird der KI immer überlegen sein, denn erst sie führt zu einer gesteigerten Qualität in allen Bereichen des Lebens in Gesellschaft und Wirtschaft. Sie führt uns näher an uns selbst, hilft uns, unsere eigenen und die Grenzen von Systemen zu zu überwinden. Das lässt mich hoffen.
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